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Premiere des BERGKINO Boxberg/Emmertsgrund

von Norbert Ahlers

Am 20.06. hatte das Heidelberger BERGKINO auf dem Boxberg/Emmertsgrund seine Premiere. Im Rahmen des Projektes „Beton heißt Stärke“ haben Schülerinnen und Schüler der Waldparkschule ihr Kino dem Stadtteil vorgestellt. Die Leistungen der Schüler waren beeindruckend. Unter der beharrlichen Begleitung ihres Klassenlehrers Hubert Hug und mit der medienpraktischen Unterstützung seitens der Kineskop-Filmschule haben die Jugendlichen einer 8.Klasse im Verlauf des Schuljahres einen eigenen Kurzfilm gedreht, eine Fotoausstellung mit eigenen Aufnahmen zusammengestellt und einen eigenen Kinoabend organisiert. Dieser Abend war gleichzeitig der Auftakt, mit dem sich die Jugendlichen als eigene, frischgegründete Schülerfirma präsentierten. Mit „La Haine“ (M. Kassovitz, F/1995) hatten sich die Schüler zudem einen Film ausgesucht, der inhaltlich konfrontativ und ästhetisch anspruchsvoll ist.

Der Kurzfilm „Die Neue“ auf der eigenen Kinoleinwand.

„Die Neue“, der eigene Kurzfilm der Schüler, erzählt von einem Mädchen, das erst vor kurzem auf den Emmertsgrund gezogen ist und einem Jungen, der sich allein in seinem Stadtteil behaupten muss, aber in jedem Hindernis auch die Herausforderung eines eigenen Weges entdeckt. Er läuft Parkour, weil es ihm Spaß macht, auch wenn er dafür kein Verständnis findet. Er und das Mädchen, beide Außenseiter, finden, was ihnen die Umgebung verwehrt: Geborgenheit und Anerkennung.

Eindrucksvoll waren die Fotografien der Schüler, die sie unter der Begleitung von Max P. Martin in verschiedenen Workshops aufgenommen haben. Über die Ablichtung verschiedenster Orte wie etwa die Parkgaragen im Ermmertsgrund, das Iduna-Center auf dem Boxberg oder etwa die St.Paul-Kirche näherten sich schließlich die Jugendlichen auch der Arbeit eigener Portraitaufnahmen an. Dabei entstanden erstaunliche Bilder von Jugendlichen, die in ihrer Haltung, in ihrem Lachen und ihrer Skepsis wohl in einer ganz besonderen und gelungenen Form vom Leben auf dem Berg erzählen.

Orte und Gesichter vom Berg – die Bildergalerie der Jugendlichen

Im Boxberger „Holzwurm“ wurde mit Unterstützung von Ingo Smolka das örtliche Jugendzentrum mit einfachen Mitteln in ein Kino verwandelt, was für manchen auch ein déjà-vu gewesen sein mag. Es war ein Filmabend, der in seinem improvisierten Rahmen und mit seiner Authentizität an die frühe kommunale Filmarbeit erinnerte. Die selbst zubereiteten Kinosnacks wie Humus, Guacamole, Nachos mit eigenen Saucenkreationen oder eine selbst zusammengemixte Limonade waren eine angenehme Bereicherung, die manch anderes professionelle Kino adaptieren könnte. Die Ernsthaftigkeit, die Energie und die Anteilnahme, die die Jugendlichen bei der Vorbereitung dieses Abends zeigten, verblüffte manche Lehrkraft. Von 07:45 Uhr bis 21:00 Uhr waren die meisten von ihnen an diesem Tag fast ununterbrochen in der Schule bzw. in einer schulischen Veranstaltung.

die Alternative zu Popcorn

In all diesen Anstrengungen ist die Idee zu wiederzuentdecken, dass ein Kino mehr ist als nur eine Leinwand für projizierte Unterhaltung. Das BERGKINO hat die Perspektive und das Potential, ein Ort des Dialogs zu werden. Für ein zeitgenössisches Kino ist das eher ungewöhnlich und in Heidelberg, wo sich in den vergangenen Jahren die Kinosituation drastisch verändert hat, ist dieses Kinoprojekt umso bemerkenswerter: die Schüler haben mit dem BERGKINO die Filmkultur zu sich in ihren Stadtteil geholt. Ein Projekt, das durch die Kineskop initiiert, durch die Waldparkschule ermöglicht und den ESF-Fonds „Stärken vor Ort“ gefördert wurde. Eine Stärke, die auch im Zentrum der Stadt zur Kenntnis genommen werden muss.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Filmabende fortgesetzt werden, dass die Akustik verbessert wird und die Crew die notwendige Beharrlichkeit und den unbestechlichen Eigensinn hat, die dieses ungewöhnliche Projekt von allen Beteiligten immer wieder fordert. Die Premiere war auf jeden Fall ausgesprochen ermutigend.

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Werkeln mit der Kamera: Der Familienfilmer und sein Sujet

von Steffen Schneider

Geht man heute über den Flohmarkt, so findet man neben Kleidungsstücken und ausrangierten Haushaltsgeräten auch hin und wieder Filme. Gemeint sind aber keine üblichen Kauf-Videos oder -DVDs, sondern Schmalfilme, meist im Super-8-Format. Dieses Format gehört der Vergangenheit an, die damit verbundene Ästhetik wird heutzutage in Spielfilmen genutzt, um einen „Retro-Look“, ein Gefühl von Vergangenheit beim Zuschauer zu evozieren. Es ist jedoch nicht irgendeine Vergangenheit die dort zelebriert wird, sondern die des Amateurs, denn der Schmalfilm gilt gemeinhin als das Amateur-Filmformat schlechthin. Es handelt sich dabei oft um Filme, die im familiären Umfeld mit dem Vater als Regisseur entstanden sind. Nimmt man sich die Zeit und taucht in die vergessene Vergangenheit des Amateurs ein, so stößt man in diesen Filmen auf eine eigene, unerwartete Poesie:
Der Filmemacher von Familien-Amateurfilmen spiegelt eine Do-it-yourself-Mentalität wider und gleicht darin dem Heimwerker. Beide waren Amateure, beide arbeiteten großteils daheim – der Filmemacher am Schneidetisch, der Heimwerker im Hobbykeller – und beiden standen nur begrenzte Mittel zur Verfügung, um ihr Projekt zu realisieren. Eine weitere Gemeinsamkeit: Sowohl der klassische Schneidetisch, als auch der Hobbykeller sind Relikte einer vergangenen Zeit. Filme werden heute am Computer geschnitten und eben dieser ist es, der auch den Hobbykeller als Ort männlicher Freizeitgestaltung weitestgehend verdrängt hat.
Meistens handelte es sich bei Heimwerker und Amateurfilmer um junge Familienväter, die sich voller Begeisterung ans Werk machten und dabei alles Andere stehen und liegen ließen: Frau, Kinder, die Arbeit. Dabei brachten sie nicht selten sich und ihr Umfeld an die Grenzen der Belastbarkeit.

Mochte ein Vater auch bei der Inszenierung des Familienbildes immer wieder die Regie führen, auf dem Bild war er letztlich ebenso abwesend wie im realen Familienalltag

War es das schon? War der Amateurfilmer nur ein mehr oder minder handwerklich begabter Kleinbürger, der Säge und Hammer gegen eine Kamera eingetauscht hat? – Keineswegs!
Heimwerken und Filmen war ein Ausdruck der Selbstvergewisserung. Ähnlich wie das Auto in der Bundesrepublik ein Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs war, so konnte sich auch nicht jeder eine Kamera leisten. Wer eine Kamera besaß, der hatte es zu etwas gebracht, der war unabhängig und frei – ein Ausdruck der eigenen Leistungsfähigkeit und Modernität. Und wenn am Abend der Heimwerker die Werkbank verließ und zufrieden auf die getane Arbeit blickte, dann kehrte auch der Amateurfilmer dem Schneidetisch den Rücken zu, um seinen Film der Familie oder dem Filmklub zu präsentieren: „Seht her, ich habe etwas geleistet!“ bzw. „Seht her, das sind wir, unsere Familie, so habe ich euch filmisch gemacht!“.
Dabei kontrastierten in beiden Fällen Leichtigkeit mit Leiden. Einem gelungenen – und das ist ja bei Amateuren nicht die Regel – neuen Stuhl mit schön gearbeitetem Polster sah man ebenso wenig die Mühe des Entstehungsprozesses an, wie einem Kurzfilm, dem ein aufreibender Dreh- und Schnittprozess unterlag.

Die beiden Endprodukte unterschieden sich jedoch in einem Punkt eklatant: Der Familien-Amateurfilm spiegelte das eigene Leben wider, über das man schmunzeln oder lachen konnte – und wenn es nur aus Verlegenheit war. Ein Produkt wie der neue Stuhl bot diese Möglichkeit des Wiedererkennens nicht. Er sollte lediglich keine Macken und Kratzer haben und bequem sein. Der Schmalfilm hingegen präsentierte sich zwar mit augenzwinkernder Leichtigkeit, thematisierte aber zugleich in vielen Fällen den leidvollen Prozess des Filmens selbst, etwa dann wenn sich der Familienvater in einigen Filmen als Regisseur inszenierte oder sich selbst beim Schneiden zeigte.

Durch die genannte Thematisierung des Produktionsprozesses bekam der Amateur-Film einen selbstreflexiven Charakter. Diese Selbstreflexivität war dem Heimwerker hingegen fremd. Der Heimwerker bearbeitete lediglich sein Arbeitsmaterial und schuf daraus etwas Starres, Feststehendes, eine Verkörperung tiefster, sich im beharrlichen Produktionsprozess manifestierender Ernsthaftigkeit. Das Arbeitsmaterial des Amateurfilmers war anders: es war sein reales Umfeld in dem er sich befand und das wiederum in bewegliche Bilder überführt wurde. Er konnte sein Umfeld nicht ignorieren, er hatte nicht die Möglichkeit, sich an die Heimwerkerbank zu setzen und sich von der Außenwelt abzukapseln, um einen Film zu drehen.

Letztgenanntem Sachverhalt begegnete der Filmemacher mit dem Mittel der Ironie. Er reflektierte sein Umfeld, er registrierte Alltagsprobleme und Sorgen, porträtierte sie aber spielerisch. Diese Verspieltheit ist der Ernsthaftigkeit des Handwerkers diametral entgegengesetzt. Während die Ernsthaftigkeit den Blick geradeaus richtet, fest ein Ziel im Blick hat und beharrlich auf dieses zuarbeitet, schlägt die Verspieltheit Haken, sie nutzt Seitenwege und Verästelungen, kommt lustvoll vom Weg ab.
Damit schuf sich der Amateurfilmer in seinem engen kleinbürgerlichen Umfeld Freiräume. Die Ironie war für ihn ein Ausweg aus der Ernsthaftigkeit und Beengtheit des Heimwerkers, die dessen Werk eindimensional und unbeweglich werden ließ. Hierin besteht der Mehrwert des Amateur-Films und hierin unterscheidet sich dieser radikal vom Heimwerker.
Der Amateurfilmer war sich seiner Amateurhaftigkeit bewusst und nutzte das Spiel der Ironie. Er nahm seine Arbeit ernst, ohne sich selbst dabei jedoch zu ernst zu nehmen. Wenn ein Heimwerker einen wackligen Stuhl präsentierte, hatte er versagt, denn sein Schaffen war der Ausdruck purer Ernsthaftigkeit, dies war sein Anspruch, seine Passion – wer nimmt schon einen wackligen Stuhl ernst? Der Amateurfilmer präsentierte immerzu wacklige Filme – er hatte gar keine andere Möglichkeit – er war sich dessen bewusst und er machte es mit Genuss. Denn er wusste die Ironie auf seiner Seite, mit der er die strukturellen Schwächen seines Produktes ausgleichen konnte, das Augenzwinkern mit dem er sagen konnte: „Seht her, mein Film hat Brüche, er ist nicht perfekt, aber trotzdem schaut ihr zu!“

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Versprechen der Bildung rekonstruieren – Eine kurze Notiz für eine Chance

von Norbert Ahlers

Wenn deine Söhne, Kallias, Füllen oder Kälber wären, wüßten wir wohl einen Aufseher für sie zu finden oder zu dingen, der sie gut und tüchtig machen würde in der ihnen angemessenen Tugend: es würde nämlich ein Zureiter sein oder ein Bauer; nun sie aber Menschen sind, was für einen Aufseher bist du gesonnen ihnen zu geben? Wer ist wohl in dieser menschlichen und bürgerlichen Tugend ein Sachverständiger?“ (Sokrates )

Das Wort, die „Versprechen der Bildung zu rekonstruieren“ ist das zentrale Grundverständnis der Kineskop-Filmschule. Doch was heißt dieses Motto konkret?

Bildung wird in der Kineskop-Filmschule als die Förderung des Entwicklungsprozesses eigener Interessen verstanden. Ein Prozess, in dem man nicht nur über die eigene Persönlichkeitsentwicklung und das eigene Verhältnis zur gesellschaftlichen Wirklichkeit reflektiert, sondern zu einem Vertrauen in ein lernendes Handeln durch Kooperation ermutigt wird.

Abschauen ist eine tradionelle Form des Lernens. Es ist eine Art Kooperation, denn Wissen ist auf Teilhabe angelegt. In der Schule ist Abschauen allerdings verpönt. So lernen Kinder vorzeitig etwas über Copyright, aber weniger über Kooperation.

Die Idee der Chancengleichheit durch die eindimensionale Egalisierung von Bildungsabschlüssen führt zu einem Missverständnis. Bildungsabschlüsse werden reduziert auf bloße Leistungsnachweise und Zugangsberechtigungen. Die weiterführenden Bildungsinstitutionen, zu denen man nun Zugang erhält, verstehen sich jedoch auch nach Jahrzehnten nicht als schulische Massenbetriebe, sondern immer noch als Anstalten eines exklusiven Bildungsbürgertums. Diese Institutionen, vor allem die Universitäten, sind weder mental noch strukturell darauf eingestellt.

Im Zusammenhang mit den akademischen Abschlüssen gilt immer noch das protestantische Ideal, dass eine lange Ausbildungszeit auch ein langer Verzicht auf ein reales Gehalt ist und schließlich mit dem akademischen Grad und einer entsprechend höheren Besoldung vergütet bzw. belohnt wird. Das aktuelle Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichtes und dessen Begründung zur Praxis der Professorenbesoldung dokumentiert dies. Doch die Frage bleibt, weshalb ein Hochschulprofessor mehr verdienen sollte als eine Grundschullehrerin oder Erzieherin? Die Verantwortung einer Grundschullehrerin ist nicht einen Moment geringer als die eines Professors.

Vor diesem Hintergrund wird die Auseinandersetzung, wie eine emanzipative Bildung in der aktuellen Situation verstanden werden kann, immer wieder relevant.

In der Kineskop wird Bildung als das Entdecken des eigenen Interesses verstanden, denn wer ein eigenes Interesse hat, besitzt eine Perspektive und kann mit dieser Lust auch schwierige Lebensphasen überstehen. Bildung ist daher das Fundament für ein individuelles Selbstvertrauen, das durch eine offene Neugierde und Sorgfalt gegenüber dem Gegenstand des Interesses geprägt ist. Dieses Interesse kann nicht singulär sein, sondern wird sich nur in Zusammenhängen entfalten. Diese Zusammenhänge sind die der gesellschaftlichen Verhältnisse, sowohl die der Geschichte als auch die zeitgenössischen Bedingungen und Begebenheiten.

Das erkenntnisleitende Interesse – so verstanden – führt notwendig zur Kooperation, denn dass die Verhältnisse nicht so sind, dass man sich als intelligenter Mensch mit ihnen abfinden kann, drängt einen zur Veränderung. Dieser Widerspruch motiviert einen zur Suche nach Verständnis, Alternativen und Veränderungen.

Wenn Bildung zum Handeln motiviert, ohne dass einen das eigene Interesse blind macht für die Interessen anderer, dann ist Kooperation und Achtung vor der Würde des Anderen ein zentrales Versprechen der Bildung. Respekt vor dem Leben basiert auf Selbstvertrauen und das wiederum erwächst in der Pflege, der Aufrichtung und der Stärkung eines eigenen Interesses.

Die Kineskop sucht in ihren Projekten die Schülerinnen und Schüler immer wieder zu ermutigen, die literarischen Vorlagen als ein Angebot zu verstehen. Durch eigene erzählerische Interpretationen können Schülerinnen und Schüler sie neu verstehen und sie sich unabhängig vom Erwartungsspektrum eines Lehrplanes aneignen.

Immer deutlicher wird aber, dass man sich nicht allein in den Projekten isoliert auf die Schulklassen konzentrieren darf, sondern die Eltern integrieren muss. Schule und außerschulische Projekte können ermutigende Momente schaffen, doch all das gelingt nur, wenn diese von den Erziehungsberechtigten unterstützt werden. Chancengleichheit existiert erst dann, wenn Bildung nicht auf einen Kanon und Codesysteme der Exklusivität setzt, sondern die Vielfalt der Sprachen pflegt, sowohl Altgriechisch als auch den subkulturellen Slang.

Ein Verständnis dieser Art setzt nicht nur engagierte Lehrkräfte voraus, sondern auch Personen, deren Bildungsverständnis eben den oben skizzierten Ansprüchen genügt. Lehrkräfte sind Sachverständige der Tradition und des Alltags. Dieser Sachverstand beweist seine Kompetenz, indem er sich neu den Herausforderungen und Konflikten der Gegenwart stellt. Herausforderungen, die gerade Jugendliche in ihrer Sensibilität für Widersprüche, immer wieder neu artikulieren. Eine Gesellschaft, die der Schule neben dem Wissenstransfer mehr und mehr sozialpädagogische Aufgaben zuspricht, fordert ein neues Bildungsverständnis und eine Schule, die die Lehrkräfte ermutigt, diese Herausforderung wahrzunehmen.

Die Kineskop versteht sich hier als ein Freiraum, in dem neue Entwicklungen in der Bildungspraxis erprobt werden. Kooperationen basieren auf Gesprächen und Gespräche wiederum auf Bildung. Eine Bildungsidee aber, die die Kritik Foucaults am Humanismus ignoriert, scheitert genauso wie diejenige, die die humanistischen Bildungsversprechen abschütteln möchte.

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Die „Alte Feuerwache“ in Heidelberg – Möglichkeiten für ein innovatives Kunst- und Kreativzentrum?

von Norbert Ahlers

Am 13.01.2012 trafen sich ca. 70 Interessierte aus der Kultur- und Kreativwirtschaft in der „Alten Feuerwache“ Heidelbergs. Das Gelände, auf dem derzeit das Opernzelt und die Verwaltung des Stadttheaters untergebracht ist, wird voraussichtlich im Herbst 2012 wieder frei sein.

Verschiedene Optionen einer kommenden Nutzung stehen zur Diskussion: So überlegt man z.B., das Gelände als Standort für ein mögliches Cineplex bereitzustellen oder auf dem 7450 m² großen Areal eine Mischform von Kultur- und Kreativbetrieben anzusiedeln. Letzteres wird von der Fraktionsgemeinschaft Generation HD und Bündnis 90/Die Grünen befürwortet, die zu einem dreistündigen Workshop eingeladen hatte. Hier wurden in sechs Kiosken bzw. Gesprächsgruppen verschiedene Aspekte eines möglichen Kultur-und Kreativzentrums diskutiert und skizziert.

Das Konstrukt einer „Kulturachse“ ist bestechend, denn in den vergangenen Jahren hat sich der Heidelberger Stadtteil Bergheim grundlegend verändert. Wissenschaft und Kultur prägen die Bergheimer Straße in einem bisher kaum gekannten Maße. Waren früher vor allem die medizinischen Fakultäten mit den verschiedenen Kliniken präsent, so findet sich hier nun eine Vielfalt von verschiedensten universitären Einrichtungen inklusive der Prinzhorn-Sammlung. Die Freie Musikschule und die Volkshochschule sind ebenfalls an der Bergheimer Straße und im Landfriedkomplex entwickeln sich in absehbarer Zeit neue Strukturen (es ist zu erwarten, dass das multikulturelle Zentrum der Stadt Heidelberg dort eingerichtet wird). Die Nutzung der Alten Feuerwache durch unterschiedliche Betriebe der Kreativwirtschaft würde die Entwicklung dieses Stadtteils konsequent fortschreiben. Die „Alte Feuerwache“ als Kreativzentrum könnte sogar eine Brücke zu dem Heinsteinkomplex darstellen, in dem sich weitere Unternehmen dieses Bereiches angesiedelt haben wie z.B. Architekturbüros, Agenturen oder Verlage.

In der Diskussion des Workshops wurde diese „Kulturachse“ sogar zu einem Dreieck erweitert, in dem das Areal der Halle 02 und somit die Bahnstadt integriert wäre.

Diese Überlegungen können aber nur dann gelingen, wenn dem Entwurf ein überzeugendes Konzept zugrunde liegt. Eine der diskutierten Ideen war, das Nutzungskonzept mit der Idee von „Wissen schafft Stadt“ zu verbinden. Dabei wurde wieder auf ein Defizit der Stadt Heidelberg aufmerksam gemacht: weder ist in Heidelberg eine Hochschule für Bildende Künste noch für Musik oder Medien angesiedelt. So wurde in einem der Gesprächskreise denn auch klar skizziert, dass die „Alte Feuerwache“ eine Gelegenheit darstellen könnte, dieses Defizit in einer unkonventionellen Form zu kompensieren.

Eine Zusammenführung von freien Einrichtungen, die für Neue Musik, Medienbildung, Architektur und Kunst stehen, würde die „Alte Feuerwache“ zu mehr als nur einem soziokulturellen Zentrum oder Gründerzentrum machen. Sie würde weniger ein Veranstaltungsort als vielmehr ein Produktionsort für innovative intellektuelle Ideen und Experimente sein. Ein wesentliches Merkmal dieser Produktivität muss dabei ihre Internationalität sein, die somit auch das Umfeld schaffen würde, in dem kreative Kleinunternehmen sich ansiedeln würden, um von den Impulsen an diesem Ort zu profitieren.

„Wissen schafft Stadt“ im Zusammenhang mit der Internationalen Bauausstellung Heidelberg (IBA) darf daher nicht nur auf ambitionierte Bauvorhaben beschränkt werden, sondern muss die Menschen vor Ort mit einbinden. Der urbanen Vitalität und den dynamischen Potentialen des sich rasant verändernden Heidelbergs muss ein neuer Raum geboten werden. Gleichzeitig müssen von hier aus auch Impulse ausgehen, die über die Region hinausgehen. Wenn es gelingt, dieses Modell (Neue Musik, Medienbildung, Architektur und Kunst) in der „Alten Feuerwache“ zu kreieren, dann verfügt Heidelberg über eine Institution, die sich gegenüber dem geplanten Kreativzentrum Mannheims im Jungbusch durchaus behaupten kann. Es bleibt aber zu fragen, ob man hier nur einen weiteren Cluster hinsetzt oder aber den Mut besitzt, ein „Bauhaus des 21. Jahrhunderts“ zu entwickeln.

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Frame-Treffen am 12.12.2011 im jfc Medienzentrum Köln

von Norbert Ahlers

Auf der Sitzung der FRAME, der Konferenz unabhängiger Medienzentren, ging es um die Verhältnisbestimmung der Medienpädagogik zur kulturellen Bildung. Die lebhafte Diskussion zeigte nicht nur den Klärungsbedarf der aktiven Medienpädagogen, sondern auch deren Dilemma. Wie sehr die Auffassungen auseinandergingen, wurde am Beispiel des Umgangs mit sogenannter unkorrekter Filmarbeit deutlich, an der man die Grenzen der Pädagogik zu skizzeren suchte.

Der Aufsatz „Medien der kulturellen Bildung – kulturelle Bildung der Medien“ von Gerda Sieben (in: „Digitale Kreativität“, MedienConcret Nr. 1/11) beschreibt die Schwierigkeiten dieser Verhältnisbestimmung sehr präzise und dürfte gegenwärtig wohl die geeignete Ergänzung zu der Initiative „Keine Bildung ohne Medien“ sein.

Unabhängig davon bleibt die Frage dennoch offen, wie Bildung in der Informationsgesellschaft heute inhaltlich konkret zu verstehen ist. Das Versprechen der Bildung bleibt auf der Strecke, wenn man Pädagogik nur als „Abholen“ und Kompetenzvermittlung für die Optionen der Kreativbranche versteht, auf die sich die journalistische Tradition der Aktiven Medienarbeit inzwischen oft reduziert hat.

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Medienpädagogik zwischen Altgriechisch und html

von Norbert Ahlers

Die Kineskop-Filmschule setzt sich seit Beginn des Schuljahres 2011/12 in Kooperation mit dem Kurfürst-Friedrich-Gymnasium Heidelberg intensiv mit der Tradition des humanistischen Bildungsideals auseinander. Für das Team der Kineskop ist dieses Projekt eine Gelegenheit, die Fragen der Bildung auch in eigenen Zusammenhängen zu thematisieren.

Im Gegensatz zu den meisten Initiativen der kulturellen Bildung und der Medienpädagogik sucht die Kineskop eine komplexe Bildungstradition nachzuvollziehen, um somit die eigenen Angebote auch inhaltlich präzise zu begründen.

Die Geschichte alternativer, emanzipativer Medienprojekte und Bildungsinitiativen ist so alt wie die der Massenmedien. Doch etwas ist seit einigen Jahren verändert: gesellschaftliche Antworten oder gar visionäre Bildungsideen bleiben ohne Inhalte. Waren im 20. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum die Begriffe Bildung, Kultur und Kunst synonym für einen Gegenentwurf zum Leben im Zwang des Notwendigen, gilt diese Vorstellung im Kreis der Kulturschaffenden längst als passé. Gleich einem Jargon werden Begriffe wie kulturelle Teilhabe, Chancengleichheit, Partizipation, Kreativität und Persönlichkeitsentwicklung beschworen, jedoch bleiben diese gesellschaftlichen Forderungen ohne Konkretion und Begründung. Eine Diskussion um die Inhalte findet nicht statt, weil man in bürgerlichen Kreisen sie zu verstehen meint. Die Begriffe sind vertraut und können ohne Widerstand bejaht werden. Eine Diskussion hat zudem den bitteren Beigeschmack des Autoritären: Wer definiert hier für wen welche Inhalte? Was gilt als guter Geschmack und weshalb? Das Dilemma dabei ist: wird diese Diskussion nicht geführt, wird sie von den blinden Machtzusammenhängen des Marktes diktiert. Diese Machtzusammenhänge propagieren Kreativität und Partizipation, wo sie Ressourcen und Konsum meinen. Kunst und Kultur werden hier nur dann zur Kenntnis genommen, wenn sie neue Trends versprechen oder sich zumindest als ein Bestandteil der produktiven Dynamik verkaufen lassen. Kreativität und Partizipation waren einstmals ein Vorrecht, nun aber scheinen sie auf ein Gebot der Notwendigkeit reduziert zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist die Auseinandersetzung mit dem humanistischen Bildungsideal aufschlussreich. Dass man sich konkret mit diesem Ideal beschäftigt, liegt einerseits in dem Selbstverständnis der Kineskop begründet („die Medienpädaogogik wird dann relevant, wenn die Pädagogen sowohl Altgriechisch als auch html verstehen“) und andererseits im Interesse, die Versprechen der Bildung zu rekonstruieren und neu zu vermitteln. Unabhängige Bildungs- und Kulturarbeit ist Arbeit, die den Einzelnen immer wieder mit sich selbst konfrontiert. So verstanden ist diese Arbeit immer im Widerspruch zur Illusion der Spaßgesellschaft und der Kulturindustrie.

Vor dem Hintergrund des Projektes „Humanismus – eine Bildungstradition“ werden z.B. verschiedene Texte von Blaise Pascal und Michel de Montaigne gelesen, interpretiert und den Arbeitsweisen von Gruppen wie z.B. regionalen Hacker Communities gegenübergestellt. Das humanistische Credo ad fontes verstehen diese TechnikerInnen und KünstlerInnen auf ihre eigene Weise radikal und authentisch. Hier möchte die Kineskop für die eigene Arbeit Widersprüche und Zusammenhänge neu skizzieren, Gemeinsamkeiten und Interessen inhaltlich auch für sich selbst und die eigene Bildungsarbeit neu begründen.

Medienarbeiter im Fachgespräch

Lernen unter freiem Himmel - Medienarbeiter im Fachgespräch um 1909

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Ein Börsenthriller braucht andere Erzählformen als die des Thrillers

von Norbert Ahlers

Der Börsencrash 2008 braucht andere Erzählformen als die des Thrillers, wenn er von dem erzählen will, was die Finanzindustrie erschüttern ließ.
In der gegenwärtigen Situation hat man den Eindruck, dass Blitzkriege sich heute im Hochfrequenzhandel vollziehen. Fast – wenn es nicht so blutig wäre – mutet es schon anachronistisch an, wie in den militärischen Konflikten des Westens zeitgleich die TV- und Online-Magazine mit Experten die möglichen Taktiken und Strategien der Hauptquartiere kommentierten. Ganz anders dagegen die Situation der Börsenmärkte. Scheinbar völlig überraschend und nur schwer nachvollziehbar steigen und fallen die Kurse. Die Turbulenzen erschüttern Volkswirtschaften und ganze Staaten, deren politischen Handlungsräume sich auflösen und sich auf symbolische Gesten und Erklärungen reduzieren.

Bühne für zeitgenössische Dramen

Bühne für zeitgenössische Dramen

Die Metapher des Krieges ist aber zu simpel, denn der virtuelle Handel der Finanzindustrie scheint so flüchtig zu sein wie die Versprechen der Religion. Er ist tendenziell immateriell und basiert nur auf dem Vertrauen der potentiellen Kaufkraft. Es ist die Herausforderung unserer Gegenwart, dafür adäquate Erzählformen zu finden. Es ist fraglich, ob das opulente Kammerspiel von „Margin Call“ eine dieser Formen repräsentieren wird. Aber andererseits wäre eine Verfilmung von „Strukturierte Verantwortungslosigkeit“ wohl eine Alternative, der jede dramaturgische Spannung fehlen würde.

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In der Notlage der Bildung kennen Lehrende keinen Griff nach Bracht

von Norbert Ahlers

„Wenn deine Söhne, Kallias, (…) Füllen oder Kälber wären, wüßten wir wohl einen Aufseher für sie zu finden oder zu dingen, der sie gut und tüchtig machen würde in der ihnen angemessenen Tugend: es würde nämlich ein Bereiter* sein oder ein Landmann; nun sie aber Menschen sind, was für einen Aufseher bist du gesonnen ihnen zu geben?“ (Platon – Apologie des Sokrates, Übersetzung: Schleiermacher)

Bildungsarbeit und Pädagogik sind in öffentlichen Kultureinrichtungen ein zentrales Argument im Selbstverständnis der Institutionen. Sie fundieren die Legitimationsbasis der Kulturarbeit .

Kulturarbeit will aber darüber hinaus mehr sein als bloße Pädagogik. Sie will Identität stiften, will Foren der Begegnung und Freiräume der Kunst schaffen, will als „Leuchtturm“ über die regionalen Grenzen weisen, soll als weicher Standortfaktor im Ranking urbaner Attraktivität wirtschaftliche Potentiale binden und in ihrer Vielfalt kommunale Toleranz und Stärken repräsentieren.

Diese Ansprüche aber definieren zunehmend auch die Aufgaben und das Selbstverständnis der Pädagogik. Sie erscheint weniger als Bildung, sondern vielmehr als mentales Fitnessprogramm für den Zwang zur permanenten Kreativität.

Dieses funktionsorientierte Verständnis von Kulturarbeit verspricht viel und klingt doch nach einer Ideologie, der die Versprechen von Bildung völlig fremd erscheinen. Die Phrasen der
Kulturschaffenden wie auch der -beauftragten zeigen kaum eine Idee davon, wie schwierig es sich mit der Bildung und der Kultur verhält. Was artikuliert wird ist stets Ausdruck des pädagogischen Aktionismus, der Bildung und Kultur beschwört, aber nicht einlöst. Über die Begriffe der Bildung, Kultur und Kunst selbst aber wird nicht diskutiert.

Die Idee der Bildung „ist in sich antinomistischen Wesens. Sie hat als ihre Bedingung Autonomie und Freiheit, verweist jedoch zugleich, bis heute, auf Strukturen einer je Einzelnen gegenüber vorgegebenen, in gewissem Sinn heteronomen und darum hinfälligen Ordnung, an der allein er sich zu bilden vermag. Daher gibt es in dem Augenblick, in dem es Bildung gibt, sie eigentlich schon nicht mehr. In ihrem Ursprung ist ihr Zerfall teleologisch bereits gesetzt.“ (Theorie der Halbbildung, Th.W.Adorno, S. 28 f)**

Th.W. Adornos Text veranschaulicht auch heute noch das Dilemma, in dem die Bildung eingeklemmt ist, aber gleichzeitig verweist er auch auf den Geist, der Freiheit verheißt.

Diese Bestandsaufnahme ist der Maßstab, an der sich eine Diskussion über die Bildung und Pädagogik orientieren muss. Ideen und Bildungskonzepte müssen dieses Spannungsverhältnis mitdenken, wenn sie die Versprechen der Bildung nicht verloren geben möchten.

Bildungsarbeit - Eigenschaften heben wie mit dem Griff einer Hebamme. Das geht nicht ohne Gefühl und Erfahrung.

Ob ein Kindergarten mehr einer Baumschule oder aber einem Garten ähnelt, wie ihn sich Claude Monet als Motiv schuf, ist eine Frage, wie man Erziehung und Bildung versteht: ob an Lehrplänen orientiert oder eher an der Kunst der Hebamme geschult.

Das Team der Kineskop wird das Gespräch über diesen Gegensatz und über das Verständnis von aktueller Bildungsarbeit in den kommenden Monaten weiterhin führen.

__________
* im Sinne von Zureiten wilder Pferden
** Theorie der Halbbildung, Th.W.Adorno, Frankfurt a.M. 2006

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Im Schatten des Don Quijote

von Norbert Ahlers

Kulturschaffende beklagen den Autoritätsverlust des Textes, ob im Theater, im Buchhandel oder in Museen. Diese Klage der Gelehrten ist alt. Selten schienen den Belesenen ihre Zeitgenossen kultiviert genug, allzu oft waren sie ihnen schlicht zu devot, zu tumb und fantasielos. Nicht selten fühlt sich der Gelehrte um die Frucht seiner Anstrengungen gebracht, wenn er sich den akademischen Titel erarbeitet hat und mit seinem Urteil nur eine bescheidene Resonanz in seiner Binnenwelt findet. Entsprechend ätzt er gegen diejenigen, die ihn ignorieren. Doch etwas scheint neu an dieser Klage zu sein. Tatsächlich erscheint über jedem Autor heute der Schatten des Don Quijote.

"Don Quijote" - im Stummfilm von 1915

Nur er selbst glaubt noch an die Macht der Texte während seine Zeitgenossen Texte nur als Präsentation wahrnehmen. Texte waren stets auch Repräsentanzen, wollten aber in der Regel nicht darauf reduziert werden.

Es scheint aber, dass gerade der Verlust der Textautorität sich proportional zu dem kollektiven Bedürfnis nach Präsentation verhält. In jedem Lebensbereich wird man zur Präsentation aufgefordert. Keine Arbeit, die nicht auch kommuniziert werden sollte und so erlernen konsequenterweise Schüler nicht nur den Stoff, sondern auch die verschiedensten Präsentationsformen, um Inhalte zu vermitteln. Ob jemand Design entwirft, fotografiert, musiziert, schreibt, filmt, dichtet oder malt, bei jeder kreativen Tätigkeit wird man mit der Forderung nach Publikation und Präsention konfrontiert. Es wird suggeriert, dass nicht das Verstehen, das Angebot zur Lektüre oder zur Betrachtung wichtig ist, sondern vor allem die ephemere Performance relevant ist. Wie ein Credo lautet es auch: was kreativ ist, verspricht eigenständige Ausdrucksform zu sein und gar Kunst zu werden. Originalität muss auf ein Bühne. Eine Idee muss kommuniziert werden, auch wenn sie noch nicht durchdacht ist. Das Potential der Idee zählt.

Aber vor diesem aktuellen Hintergrund kann sich Zeit nur derjenige leisten, der nicht um Aufmerksamkeit buhlen muss. Diese Freiheit ist aber im Global Village so wirklichkeitsfern wie die Fantasien des Don Quijote. So ist es denn auch konsequent, wenn Eltern ihre Kinder auf die Bühnen treiben und jedweden Wettbewerb suchen, bei dem sich die jungen Talente profilieren können.

Die Bühne ist die Relevanzbestätigung schlechthin. Auch die Kinder wissen das. Sie spüren, was in der Gesellschaft zählt, weshalb es ihnen denn auch die Bühnenerfahrung so wichtig wie unterhaltsam ist wie eine Geburtstagsfeier. Doch was einmal schlicht eine Feier war, in der man der Mittelpunkt sein durfte, wird heute durch die Bewertung von Publikum und Juroren qualifiziert. Sie erst gibt Orientierung in einer Gesellschaft, die scheinbar selbst alle ständischen Ordnungen hinter sich gelassen zu haben vorgibt. In der Sehnsucht nach Anerkennung durch Aufmerksamkeit scheint die direkte, unmittelbare Resonanz plausibler zu sein als das überlegte Urteil.

Jeder, der sich aber daran erinnert, dass Lernen auch Üben heißt und Übung Zeit braucht, so dass sie zu Erfahrung und Können wird, weiß, dass dieses Credo eine Lüge ist. Doch solch ein Satz wäre der des Don Quijote.

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Beton heißt Stärke

von Norbert Ahlers

„Was fällt Dir zu dem Stichwort Beton ein?“ „Stärke“. Das war die Antwort einer jungen Frau aus dem Emmertsgrund.

Dieser Baustoff, der in der Kernstadt Heidelbergs eher mit Skepsis wahrgenommen wird, ist das markante Kennzeichen des Heidelberger Stadtteils Emmertsgrund. Während anderenorts der Emmertsgrund als Trabantenstadt gesehen wird, erleben sich die Menschen dort vor Ort in einer ungewöhnlichen Gemeinschaft und Identität.

Beton ist vielfältig, so vielfältig wie dieser Stadtteil. Das Projekt „Beton heißt Stärke“, eine Zusammenarbeit zwischen der Waldparkschule Boxberg und der Kineskop-Filmschule will diese Vielfalt aufgreifen: einerseits mit den drei unten skizzierten Arbeitsbereichen und andererseits mit den Inhalten.

Ein Kurzfilm, Fotoworkshops und die Initiative für ein Stadtteilkino sind die Schwerpunkte dieses Projektes, das im September dieses Jahres beginnen wird.

Die Architektur, die vor allem durch Beton charakterisiert wird, bringt nicht nur die eigene Stärke, sondern auch die der gesellschaftlichen Wirklichkeit zum Ausdruck. Sie wird in den Bauten wie in einem Bild beschrieben, oft dichter als es 1000 Worte sagen können. Architektur ist immer ein in Material formulierter Gedanke. Wie und wo der menschliche Körper, die menschliche Bewegung und der Blick in diesem „Gedankengebäude“ sich behaupten können, soll in dem Fotoprojekt „Präsenz und Bewegung“ weiter entwickelt werden.
Bildaufnahme von onkel_wart gemäß CC (BY-NC-SA)

Das Stadtteilkino veranschaulicht, dass der Emmertsgrund Raum bietet für Begegnungen ganz eigener Art. Unabhängig von der Geschlossenheit des Baukomplexes zeigt der Stadtteil in seiner Dichte eine Vitalität und Vielschichtigkeit, wie sie in Heidelberg kaum andernorts anzutreffen ist. Die Geschichten gerade auch der Generation, die zuwanderte, sollen einen Ort haben, wo sie erzählt und gehört werden.

Im diesem Kino sollen die Medienarbeiten der Jugendlichen wie auch die Filme der Elterngeneration gezeigt werden, so dass zu hoffen ist, dass die Heidelberger auf diesem Wege mehr über die Filmgeschichten anderer Länder erfahren als man im internationalen Filmkanon oder auf Festivals entdecken kann.

Weitere Informationen unter info@kineskop.de.

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